Blog der ravenden Gesellschaft
Mittwoch, 14. Januar 2009
Ziviler Ungehorsam.


Die bayerische Landeshauptstadt hat sich immer etwas schwer getan mit ihrer tollkühnen tiefroten Episode und Kurt Eisner. Erst seit 1989 erinnert eine Reliefplatte gleich hinter dem Bayerischen Hof an den Todesort des Vaters des Freistaates Bayern.

Ob es also daran liegt, dass eine mit Unterstützung des Kulturreferats durchgeführte Veranstaltungsreihe im Herzen des U-Bahn-Netzes, nämlich am Übergang zwischen den zwei Bahnsteigen am Odeonsplatz, zum zivilen Ungehorsam gegen die MVG aufrufen darf?

Mittlerweile haben denn auch einige Passanten die Aufforderung allzu wörtlich genommen und die Plakate mit Liebesbotschaften dekoriert. A bissal wos geht hoid immer...

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Freitag, 28. März 2008
Vote for your right to party (II).
(Teil 1: hier)

Und als dann nun endlich ausgezählt war, kam ein Ergebnis zutage, dass für die CSU mit "rabenschwarz" fast noch schmeichelhaft umschrieben ist und den Soziologie-Fachbereichen reichlich Studienstoff bescheren dürfte:

CSU-OB-Kandidat Seppi Schmid schaffte es nicht nur, das für eigentlich ununterbietbar gehaltene Ergebnis des 2002er-Notfallkandidaten Hans Podiuk nach unten zu knacken - nein, es geschah auch das, was sich schon bei der Europawahl 2004 zum Teil angedeutet hatte: In vier Stadtbezirken (Maxvorstadt, Schwanthalerhöhe, Ludwigvorstadt-Isarvorstadt und Au-Haidhausen) wurde die CSU gar nur drittstärkste Kraft - hinter den großen, aber ziemlich stillen Gewinnern der Kommunalwahl 2008, nämlich den Grünen.

Ihnen gelang es perfekt, die akademischen Schichten anzusprechen, die sich in den oben genannten, gemeinhin als sehr hip geltenden Innenstadtbezirken niedergelassen haben. Wenn es eine echte Großstadtpartei in Bayern gibt, dann sie. Und dies ist das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Wahl: Trotz des überwältigenden Erfolges für Ude hat die SPD stadtweit leicht verloren - die enttäuschten und vom Brutalo-Wahlkampf vergrätzten CSU-Wähler haben sich, sofern sie nicht zur FDP oder zu den Nichtwählern abgewandert sind, ganz offensichtlich die Grünen geholt, die mehr als "Partei der Mitte" wahrgenommen werden als die SPD. Auch wenn die PDS in München keine Rolle spielt - nur in einigen, als eher problematisch geltenden Vierteln überspringt sie die 5%-Hürde deutlich - kann diese Situation die SPD nicht wirklich zufriedenstellen.

Erst recht nicht in Zeiten, in denen Grüne offen mit CDU-Koalitionen liebäugeln.

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Mittwoch, 19. März 2008
Vote for your right to party...


... meinten im Kommunalwahlkampf einige schicke Clubs um das neue "Nachtlebenzentrum" Maximiliansplatz - und gaben im Stadtmagazin in-münchen ausgerechnet eine Wahlempfehlung für die alte Arbeiterpartei SPD ab.

Und dies ist nicht die einzige skurille Anekdote, da sich über die Kommunalwahl in München erzählen lässt. Als Wahlhelfer erlebt man ja gerade bei einer solchen Abstimmung, die die Wähler mit bis zu 80 Stimmen und so interessanten Möglichkeiten wie "Kumulieren" und "Panaschieren" ausstattet, manche ratlose Frage. Aber spätestens bei der dritten hübschen Erstwählerin geht das schon zuvor bereitgelegte Erklärungsschema locker von der Hand - zumal die Synergieeffekte für die gleichzeitig im Wahlraum anwesenden WählerInnen beachtlich sind.

Kurzum, man hat irgendwann gerade in einem akademisch geprägten Stadtviertel wie Haidhausen den Eindruck, dass es die Wähler schon gerafft haben. Und tatsächlich: Doppelte Listenkreuze, wie in sie noch 2002 in der Heimatgemeinde meiner Eltern zuhauf gesehen habe, gibt es kaum - stattdessen einige echte Rechenkünstler, die die Stimmen fein säuberlich 60:40, 70:30 oder in anderlei aberteuerlichen Konstruktionen millimetergenau zwischen kleiner und großer Partei eines politischen Lagers aufteilen.

Muss also nur noch ausgezählt werden - und das geriet in München zum Desaster, trotz Nutzung multimedialer Möglichkeiten durch das Kreisverwaltungsreferat. Jedem Wahlhelfer wurde doch tatsächlich eine eigens dafür produzierte DVD zugesandt, die speziell zur Auszählung wirklich jeden Exotenfall darstellte. Unter anderem den nur theoretisch möglichen Fall eines gültigen Stimmzettels mit zwei Listenkreuzen (wenn dadurch die Gesamtstimmenzahl nicht überschritten wird - was aufgrund der "Füllkandidaten" auf allen Listen praktisch aber nicht möglich war).

So verwirrt, kamen manche Bezirke (wohlgemerkt nicht Au-Haidhausen) mit dem Auszählen überhaupt nicht mehr zu Rande - weswegen es bis Mittwochabend dauerte, bis endlich ein vorläufiges amtliches Endergebnis vorlag. Sogar das bayernweite Ergebnis verzögerte sich dadurch. Noch eine Blamage für die CSU, deren Parteimitgliedschaft Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle besitzt.

(Fortsetzung hier)

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Freitag, 22. Februar 2008
Das Agfa-Hochhaus ist Geschichte.
Und die Sprengung desselben war eines der größsten "Youtube"-Ereignisse, diees in München jemals gegeben haben dürfte. Von jedem Dach, jedem Balkon und auch aus der Menge von geschätzten 15.000 Zuschauern heraus wurde die größste Sprengung, die es in München jemals gegeben hat, auf jegliche verfügbaren Speichermedien gebannt. Nur von mir nicht - ich hab es mir einfach nur so angesehen und war beeindruckt.

Und so sah es dann ungefähr von meinem Standpunkt aus:



(Und ich hab jetzt doch tatsächlich begriffen, wie man Youtube-Videos hier einbindet. Es wird ja noch mit mir.)

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Dienstag, 22. Januar 2008
Clubben mit Durchblick.


Seit drei Wochen ist es nun in Kraft, das bayerische "Gesetz zum Schutz der Gesundheit" (GSG [kein Witz!]). Seitdem begehen bayerische Beamte nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie in ihrer Amtsstube rauchen, sondern "auch ein Dienstvergehen, das disziplinarrechtlich geahndet werden kann", wie sich das Bayerische Landesamt für Steuern unlängst in einer Verfügung beeilte klar zu stellen. Besucher sind dagegen nur höflich auf das neu geltende Recht hinzuweisen (sofern sie wirklich alle mediale Berichterstattung der letzten Monate hierzu ignoriert haben...). Da soll nochmal einer sagen, dass es Beamte immer besser hätten.

Schlechter haben es auf alle Fälle die Gastwirte und Anmachgrobmotoriker, die ob der auch bundesweit Aufsehen erregenden Radikalität der bajuwarischen Gesetzgebung nun notgedrungen kreativ werden müssen. Neben Raucherclub und Raucherpartei gibt es sogar den Münchener "Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur", der über geschlossene Gesellschaften trickreich das Rauchverbot zu umgehen versucht.

Auffällig an den bundesweiten Nichtraucherschutzgesetzen ist, dass alle ausgerechnet das Rauchen in Discotheken scharf sanktionieren. Zumindest im Prinzip. Während am Donnerstag vor einer Woche nämlich im Harry Klein nie gesehener klarer Durchblick herrschte (die Nebelmaschine war dort schon vor Jahren abgeschafft worden), mehren sich mittlerweile in München die heimlichen Tanzflächenraucher rapide. Von Berlinreisenden ist ähnliches (und noch viel mehr *g*) für die Bundeshauptstadt zu hören. Und während man früher zwecks Brand(loch)schutz wenigstens frühzeitig ausweichen konnte, merkt man heute die Anwesenheit eines Rauchers erst dann, wenn es auf dem Handrücken unangenehm warm zu werden beginnt...

Dabei gibt es zumindest in Bayern ein kleines, feines, bisher total übersehenes Schlupfloch: Wenn das Rauchen "bei künstlerischen Darbietungen [...] als Teil der Darbietung Ausdruck der Kunstfreiheit ist", ist es weiterhin erlaubt. Ich warte seither gebannt auf die ersten DJ's, die das Publikum zum Rauchen auffordern.

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Sonntag, 6. Januar 2008
Wer nichts verbrochen hat, hat auch nichts zu verbergen. [Update]


Und somit muss sogar die Gewaltkriminalität ausländischer Jugendlicher seit neuestem als Argument für die Vorratsdatenspeicherung herhalten. Immerhin: Gute 600 Teilnehmer waren heute in München der Meinung, dass die Freiheit im Zweifel doch mehr zählt als die Sicherheit - wie es Schäuble beim traditionellen Dreikönigstreffen der Münchener CSU in der alten Kongresshalle glaubhaft zu machen versuchte. Davon zeigten sich dann sowohl Heise als auch königlich bayerischer Rundfunk beeindruckt.

Edit 22:14: Und sogar der 20-Uhr-Tagesschau von heute war es nen 15-Sekunden-Clip von der Demo wert. Offenbar sind auch sie nicht allzu erfreut vom Gesetz...

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Mittwoch, 14. November 2007
Positive gentrification.


Gentrifizierung, so lehrt uns die Wikipedia, "ist ein in der Stadtgeographie angewandter Begriff, der einen sozialen Umstrukturierungsprozess eines Stadtteiles beschreibt". Also das, was in München momentan verstärkt im Glockenbachviertel abläuft.

Man glaubt es nämlich kaum, aber der oben abgebildete klassische "Bombentreffer" stammt aus der Westenriederstraße und ist kaum 200 Meter vom Viktualienmarkt entfernt. Im Glockenbach gibt es speziell in der Müllerstraße noch so einige Welt- und Nachkriegsrelikte (beispielsweise den mit zahlreichen Garagen und einstöckigen Häusern bebauten Hinterhofkomplex zwischen Theklastraße und Einlaß), die angesichts der enorm gestiegenen Mieten verstärkt in den Focus der Wohnungsbauunternehmen geraten.

Vor der Bebauung steht aber erstmal der Leerstand - und so kommt es, dass man schon lange nicht mehr während einer einzigen Trambahnfahrt so viele Offlocations erspähen konnte: Das ehemalige Domizil von Schaumstoff Fischer in der Müllerstraße 22 etwa, das seit letzter Woche sowohl eine Videoinstallation als auch Technics beherbergt, oder ganz aktuell den schon seit längerer Zeit leer stehenden Rattanmöbelladen an der Ecke Pestalozzi-/Müllerstraße, den mal wieder die Gommajungs mit kräftiger Bar-Unterstützung des Nage und Sauge als Wiederauferstehung der legendären Rubybar für sich entdeckt haben.

Lang geben wird's die Locations keinesfalls - im Falle der gemeinhin schlicht "Schaumstoff" genannten Lokalität mit der Hausnummer 22 hat die Südhausbau so Großes vor, dass sie gleich auf der Startseite mit dem Projekt wirbt. Und auch auf unserem Rattanmöbelladen prangen schon seit längerem von Abriss kündende Plakate für die junge, szenige, zahlungskräftige Kundschaft. "Positive gentrification" ist dann wohl doch zu temporär, um wahr zu sein...

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Donnerstag, 8. November 2007
"Städtebauliches Sanierungsgebiet" reloaded.
Gut, wenn man Eltern hat, die einen manchmal auf richtig gute Veranstaltungen aufmerksam machen, die ihnen bei der Zeitungslektüre auffallen. Andernfalls wäre mir das wahre filmische Kleinod "Haltestelle Wiener Platz - Beobachtungen auf engem Raum", eine BR-Dokumentation aus dem Jahr 1982 oder 1984 (so genau kann das keiner mehr sagen) mit Sicherheit entgangen.

Wie der Name schon andeutet, fängt der Film das damalige Geschehen zwischen den Marktständen auf dem Wiener Platz ein und zeigt dabei unter anderem die damals halb verfallenen Herbergshäuser an der Kreppe und die inzwischen längst an den Stadtrand gezogene Hofbrauerei. Ganz nebenbei erhält man auch Einblick in das heute zumindest in Haidhausen (so gut wie) verschwundene Münchener Vorstadtmilieu der kleinen Leute und Handwerker.

Es ist kaum zu glauben, dass der Film erst maximal 25 Jahre alt ist - so sehr hat sich das Viertel inzwischen verändert. Auf Neu-Haidhausener wie mich wirkt die Szenerie daher befremdlich, fast verstörend. Kurz darauf entstand unter dem Stichwort "Aufwertung der Innenstadtrandgebiete" durch umfangreiche Sanierungen nämlich so etwas wie das neue Schwabing, wobei hier - im Gegensatz zum Glockenbachviertel - der Sanierungsprozess weitgehend abgeschlossen ist. Genau wie dort hat dieser Prozess den Haidhausern neben herausgeputzten Puppenstubenstraßen allerdings auch eine saftige Erhöhung der Mietpreise beschert...

Der Film ist Teil einer Filmreihe der Münchener Volkshochschule in Zusammenarbeit mit dem Haidhausen-Museum und findet im Kim-Kino im Kulturzentrum Einsteinstraße (Einsteinstraße 42) statt - dem einen oder anderen vielleicht durch den Jazzclub Unterfahrt oder die t-u-b-e bekannt. Die weiteren Termine gibt's auf dieser Website; Voranmeldung wird aufgrund der begrenzten Kapazität von nur 50 Personen dringend empfohlen.

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